Motivation

Elektronische Systeme ermöglichen vielen deutschen Schlüsselindustrien den Erfolg – ob dies nun die Automobilindustrie, die Medizintechnik, der Maschinenbau oder natürlich die gesamte Elektro- und Informationstechnikindustrie ist. Und elektronische Systeme tragen sowohl in Infrastruktur als auch Verbraucherprodukten in immer umfangreicherem Maße dazu bei, unsere moderne Gesellschaft nicht nur effizienter zu machen, sondern auch die Gesundheit der Menschen zu schützen. In der Medizinelektronik ist dies offensichtlich.

Durch jüngst eingeführte sowie noch in Forschung und Entwicklung befindliche neue elektronische Systeme in der Automobilindustrie (Abstandswarner; Spurerkennung und -haltung; Müdigkeitswarnung; und letztlich: autonom fahrende Fahrzeuge) beginnt die Vision von „von null Verkehrstoten und Schwerverletzten („Vision Zero“)“ [Bun06] in greifbare Nähe zu rücken. Unsere heutige Welt ist nicht mehr vorstellbar ohne Produkte, die auf nanoelektronischen Systemkomponenten basieren. Zukünftig wird der Erfolg der deutschen Wirtschaft noch stärker davon abhängen, den kontinuierlich steigenden Einsatz von Elektronik besser zu beherrschen als die Wettbewerber (für die Automobilindustrie siehe z.B. [Gre03]).

Elektronische Systeme, die Informationen verarbeiten und steuern, welche lebens­entscheidend für Menschen sein können, können nicht einfach „aus dem Handgelenk heraus“ entworfen werden. Schon heute enthalten integrierte Schaltungen bis zu über einer Milliarde Transistoren. Diese Komplexität wird weiter exponentiell steigen und damit neue attraktive Anwendungen ermöglichen. Einen robusten Betrieb im Entwurf zu berücksichtigen und ihn messbar und damit vergleichbar zu machen gehört zu diesen Herausforderungen, sowohl aufgrund der durch den prozesstechnischen Fortschritt kleiner werdenden Strukturgrößen als auch der mittlerweile erreichten immensen Komplexität der resultierenden Systeme.

Robustheit als neue Anforderung in der Nanoelektronik

Unter Robustheit eines elektronischen Systems ist zu verstehen, dass das System seine spezifizierte Funktionalität auch erfüllen kann, wenn es im Fertigungsprozess zu Variationen sowie im Betrieb zu Schwankungen der Umgebungsparameter (z.B. Spannung, Temperatur), Alterung des elektronischen Systems oder auch Störungen durch die Umgebung (z.B. Strahlung, Elektromagnetische Felder) kommt.

Besonders Industrien mit hohen Anforderungen an die Produktsicherheit sehen sich damit gewaltigen Herausforderungen gegenüber. Dies betrifft neben der Raumfahrt- und Flugzeugindustrie ganz besonders auch die Medizinelektronik sowie die Automobilindustrie. Neben neuen Anforderungen und Risiken entstehen aber auch neue Chancen, denn auf dem Weltmarkt werden diejenigen Produkte einen Vorteil haben, welche robust entworfen sind. Exemplarisch seien einige die Automobilindustrie betreffende Überlegungen genannt:

·   Qualitätsansprüche an die Elektronik wachsen durch deren zunehmende Nutzung bei sicherheitsrelevanten Funktionen.

·   Das Lebensalter von Autos und der Anteil an Elektronikkomponenten steigen kontinuierlich an.

·   Ein Netzwerk aus elektronischen Komponenten hat sich zum Rückgrat der Steuerung des Autos entwickelt, welches in allen Situationen zuverlässig reagieren muss.

·   Störungen und Funktionszustand der Elektronik dürfen die Sicherheit des Nutzers und der Umwelt nicht gefährden.

Erforderlich ist ein umfassendes Verständnis von Robustheit statt isolierter Einzellösungen. Die Robustheit eines elektronischen Systems muss sowohl die Reaktion auf Fertigungsschwankungen als auch auf zeitliche Variabilitäten im Betrieb umfassen. Die Auswirkungen einzelner Faktoren wie z.B. Alterungseffekte, Temperaturprofile oder Strahlung muss analysiert und modelliert werden können, um darauf aufbauend Verfahren zum Entwurf robuster Systeme zu entwickeln. Ohne neuartige Entwurfs- und Architekturansätze können notwendige Garantien bezüglich Robustheit, Zuverlässigkeit und eines definierten Zeitverhaltens nanoelektronischer Schaltungen und Systeme nicht mehr für den gesamten Betriebszeitraum gegeben werden.

ROBUST will einen wesentlichen Beitrag zur Erforschung neuartiger Entwurfsansätze für robuste nanoelektronische Systeme leisten.

Bedeutung des Projekts

Die Industrie in Europa und Deutschland besitzt eine große Kompetenz bei Produkten mit einer hohen Systemkomplexität. Vor diesem Hintergrund entstanden die förderpolitischen Ziele zur Verbesserung des Entwurfsprozesses von nanoelektronischen Komponenten. Mit der „Hightech-Strategie für Deutschland“ [HiTech] des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) werden spezifische Innovationsbereiche unterstützt, um die wesentlichen Ziele der Zukunft, nämlich Sicherheit, Mobilität, Gesundheit sowie Energieeffizienz und Umweltfreundlichkeit zu erreichen. Das Projekt ROBUST wird mit seinen angestrebten Forschungsergebnissen maßgeblich die Industrie dabei unterstützen, Produkte mit neuen robustheitssteigernden Maßnahmen zu entwerfen.

Im Förderprogramm IKT2020 [IKT2020] des BMBF werden die Ziele der HighTech-Strategie aufgegriffen und im Fokus der Informations- und Kommunikationstechnologien behandelt, die Leitinnovationen wie „Initiative Automobilelektronik“, „IKT für Gesundheit“ und „Sichere Mobilität durch Kommunikationstechnologien“ enthält. Dazu werden spezielle Ziele, wie die Halbierung der Zahl der Verkehrstoten, Risikoabsicherung zur Erhöhung der Lebensqualität und der Beherrschbarkeit der Systemkomplexität im Auto genannt. Diese Ziele zu erreichen, erfordert den Einsatz robuster nanoelektronischer Schaltungen und Systeme. Nur robuste IT und Elektronik eignen sich als Helfer des Menschen in Lebensbereichen, die seine Gesundheit und Mobilität direkt betreffen.

Um die Bedeutung von robusten Systemen hervorzuheben sind im Folgenden Beispiele beschrieben, welche die Auswirkungen des Projekts in unserem täglichen Leben darstellt.

·   Die Reduzierung von Ausfällen von elektronischen Systemen bei sicherheitskritischen Anwendungen reduziert beispielsweise bei Autos die Gefahr von Unfällen.

·   Ausfallende Elektroniksysteme sind zurzeit im Automobil die häufigste Pannenursache. Durch den robusten Betrieb von elektronischen Systemen werden Pannen reduziert, welches – neben der einhergehenden Gefahr durch die Pannensituation – den volkswirtschaftlichen Schaden durch die Auswirkungen einer Panne reduzieren hilft. Dies sind beispielsweise Kosten für Reparatur, Abschleppen, Verdienstausfall, verdorbene Frischware.

·   Durch eine Steigerung der Robustheit im Betrieb mit effizienten Entwurfsmaßnahmen können Kosten beim Systementwurf in Deutschland reduziert werden. Robustheitsmaßnahmen sind nicht mehr Teil der Funktionalität, sondern werden beim Systemsentwurf berücksichtigt wie beispielsweise der Energieverbrauch oder das Taktnetzwerk.

·   Robustheitssteigernde Maßnahmen für den Betrieb steigern den Energieverbrauch teilweise dramatisch. Bei einem Triple Modular Redundancy Ansatz beispielsweise verbraucht sein System mehr als dreimal so viel Energie wie ein System ohne Redundanz. Mit Hilfe eines integrierten Entwurfsprozesses zur Robustheitssteigerung mit den Ansätzen von ROBUST ist lediglich ein zusätzlicher Energieverbrauch von ca. 20% zu erwarten.

Clusterforschungsprojekt ROBUST

Das BMBF führt gemeinsam mit dem edacentrum und führenden Unternehmen der deutschen Mikroelektronik-Industrie mit der EDA-Clusterforschung eine neue Forschungsinitiative in Deutschland durch. Mit den Ergebnissen des Clusterforschungsprojekts ROBUST werden die Industriepartner in die Lage versetzt, ihre anwendungsnahe Forschung zur Entwurfsfähigkeit und Optimierung von robusten nanoelektronischen Systemen weiter voranzutreiben und die technischen Herausforderungen zu bewältigen, die aufgrund der fortschreitenden Miniaturisierung der Nanoelektronik entstehen.

ROBUST ist das 4. Clusterforschungsprojekt. Weitere Informationen zur Clusterforschung finden Sie unter www.edacentrum.de/clusterforschung.